Projekte & Länder

Ein vergifteter Sieg

Die umstrittenen Wahlergebnisse könnten den Friedensprozess gefährden - INKOTA-Referentin Christine Wiid zur Lage in Mosambik.

von Christine Wiid
Veröffentlicht 26. OCTOBER 2019

Mosambik hatte die Wahl – am 15. Oktober waren knapp 13 Millionen stimmberechtigte Mosambikaner*innen aufgerufen, ihre Stimme für Provinz-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzugeben. Es war die sechste Wahl seit Ende des Bürgerkrieges 1992. Seitdem regiert ununterbrochen die Befreiungsfront Frelimo das Land. Allerdings hat der Ruf der Partei in der letzten Zeit stark gelitten, vor allem aufgrund eines Schuldenskandals um illegal aufgenommene Kredite, der das Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt hat und in den zahlreiche Spitzenpolitiker*innen verwickelt sind.

Die endgültigen Wahlergebnisse werden zwar erst zum Monatsende vorliegen, doch auch dieses Mal hat die Frelimo die Wahlen haushoch gewonnen: 71 Prozent der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent. Der bisherige Präsident Filipe Nyusi kann somit seine zweite Amtszeit antreten. Die größte Oppositionspartei Renamo mit Herausforderer Ossufo Momade kam nur auf 21 Prozent. Alle anderen konkurrierenden Parteien blieben unter fünf Prozent. Die Frelimo kann voraussichtlich auch in allen 10 Provinzen die Gouverneursposten besetzen, sogar in den nördlichen Provinzen Mosambiks, in denen die Renamo bisher einen starken Rückhalt hatte.

Umstrittener Sieg

Was wie ein eindeutiger Sieg aussieht, ist jedoch höchst umstritten. So fordert die Renamo bereits eine Annullierung und Wiederholung der Wahlen. Das Ausmaß des Betrugs sei so groß, dass es nicht hingenommen werden könne, sagte der Generalsekretär der Partei, André Magibire. Die Gewalt gegen Delegierte seiner Partei sei außerdem ein Verstoß gegen den erst im August geschlossenen, endgültigen Friedensvertrag zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsgegnern Frelimo und Renamo. Auch die EU-Wahlbeobachterdelegation in Mosambik hatte den Wahlprozess kritisiert. Die Wahlkampfzeit war überschattet von Gewalt und der Verletzung fundamentaler Rechte, außerdem kritisierte die EU-Delegation die ungleichen Wettbewerbsbedingungen im Wahlkampf zugunsten der Frelimo, während Wahlkampfveranstaltungen der Oppositionsparteien häufig eingeschränkt wurden. Auch an dem Wähler*innenregister gab es Zweifel und den Verdacht auf Manipulation. So wurden in der südlichen Provinz Gaza, einer Frelimo-Hochburg, fast 300.000 mehr Wähler*innen registriert, als es laut Zensus erwachsene Bewohner*innen in der Region gibt.

Schikane und Gewalt

Menschenrechtsorganisationen und Journalist*innen berichteten ebenfalls von Schikane und Gewalt gegenüber Pressevertreter*innen, Aktivist*innen und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft. Anfang Oktober wurde ein Wahlbeobachter und bekannter NRO-Vertreter erschossen, wahrscheinlich waren Polizist*innen in die Tat verwickelt. All dies befördert ein zunehmendes Klima der Angst und Selbstzensur in Mosambik. Auch die INKOTA-Projektarbeit war in den Wochen des Wahlkampfs eingeschränkt, Feldbesuche konnten kaum durchgeführt werden, weil die Gefahr bestand, dass Projektaktivitäten politisch vereinnahmt werden oder für politische Propaganda missbraucht werden.

Und auch an den Ergebnissen der Wahlen gibt es Zweifel: In mehreren Provinzen kam es zu Fällen von Wahlurnenfüllung mit zusätzlichen Stimmzetteln. Tausende Wahlbeobachter*innen haben keine Akkreditierung erhalten, so dass es in zahlreichen Wahllokalen keine unabhängige Beobachtung des Wahlprozesses gab. Ebenso wurden in mehreren Wahllokalen keine Ergebnisblätter veröffentlicht, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.

Mosambik vor großen Herausforderungen

Es zeichnet sich ab, dass der Friedensprozess nach diesen Wahlen gefährdet ist. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob der fragile Frieden hält oder ob dem Land eine erneute ernste Krise bevorsteht. Dabei sind die Herausforderungen, vor denen Mosambik steht, ohnehin schon riesig: Die Schuldenkrise ist noch nicht überwunden, und auch die Folgen der beiden verheerenden Zyklone, die im Frühjahr Teile Mosambiks verwüstet haben, sind immer noch spürbar. Zahlreichen Menschen droht eine Hungersnot, weil Ernte vernichtet wurde und Anbauflächen zerstört sind. Im Norden des Landes, in der Provinz Cabo Delgado, hält der Konflikt mit mutmaßlich islamistischen Extremist*innen an, der zu Vertreibungen und mehr als 200 Toten in der Region geführt hat. Ein umstrittenes Wahlergebnis und ein Wiedererstarken des Konflikts zwischen Frelimo und Renamo könnten die Entwicklung des Landes noch weiter zurückwerfen.

Mit den Folgen der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie den politischen Verpflechtungen beschäftigt sich auch die diesjährige Herbsttagung des KoordinierungsKreis Mosambik e.V. vom 08.-10. November in Bielefeld. Weitere Informationen und das detailliertes Programm des Herbstseminars finden sie hier.

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