Falsche Versprechen
Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) ist gescheitert. Es wird Zeit, dass ihre Finanziers dies einsehen und auf eine nachhaltige Landwirtschaft setzen
Die erste „Grüne Revolution“ seit den 1960er Jahren hat mit seiner einseitigen Fixierung auf chemische Dünger und Pestizide enorme ökologische Schäden angerichtet. Auch ein neuer Anlauf in 13 afrikanischen Ländern, die „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA), ist gescheitert, so eine Studie von INKOTA und anderen Organisationen. Das Entwicklungshilfeministerium (BMZ) sollte seine Unterstützung der Allianz dringend beenden.
Mit großen Versprechen war die „Allianz für eine Grüne Revolution für Afrika“ (AGRA) im Jahr 2006 gestartet. In 13 afrikanischen Ländern wollte die Agrarallianz die landwirtschaftlichen Erträge verdoppeln und damit auch die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern. Hunger und Armut sollte für rund 30 Millionen Menschen beendet werden – was nach Daten der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) allen bäuerlichen Haushalten in den 13 Ländern entspricht. Von Beginn an kritisierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Wissenschaftler*innen in Nord und Süd den Ansatz von AGRA, der auf der Grundidee der sogenannten „neuen“ grünen Revolution beruht: Mit landwirtschaftlichen Inputs wie synthetischen Düngemitteln, Hybridsaatgut und chemischen Pestiziden sollen die Erträge von einer Ackerfrucht, meistens Mais, gesteigert und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern damit in globale Wertschöpfungsketten integriert werden. Das wiederum soll ihr Einkommen verbessern.
Es ist ein ausgezeichnetes Geschäft für große Unternehmen: Die Betriebsmittel liefern Konzerne wie Bayer und BASF oder der norwegische Düngemittelhersteller Yara an Agrarchemiehändlernetzwerke, die die Produkte der Agrarkonzerne in den 13 Mitgliedsländern vertreiben Rund 44.000 dieser Netzwerke hat AGRA nach eigenen Angaben bislang aufgebaut. Wenig überraschend ist, wer hinter AGRA steht: Neben finanzkräftigen Financiers wie der Rockefeller-Stiftung, die seit den 1960er Jahre bereits die erste Grüne Revolution in Indien und auf dem afrikanischen Kontinent vorangetrieben hatte, und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die sich seit jeher für die Verbreitung des industriellen Agrarmodells stark macht, sind es Agrarunternehmen wie Yara. Aber auch Regierungen wie die von Norwegen, Kanada, den USA und Deutschland unterstützen als Geldgeber gemeinsam mit afrikanischen Regierungen die Umsetzung von AGRA.
Die Fehler der ersten Grünen Revolution werden wiederholt
Die negativen Auswirkungen der ersten Grünen Revolution für Menschen und Umwelt sind seit Jahrzehnten erforscht. Und noch immer steigen die Hungerzahlen, werden Böden ausgelaugt und sterben Tier- und Pflanzenarten aus. Produktionssteigerungen sind meist kurzfristig und beruhen häufig auf der Ausweitung von landwirtschaftlich genutzten Flächen bei gleichzeitiger Abholzung von Wäldern oder Trockenlegung von Mooren. Auch das ist schlecht für die Umwelt und befördert die Klimakrise.
AGRA nimmt Einfluss auf auf nationale Saatgutgesetze und Düngeverordnungen, um in afrikanischen Staaten günstige Voraussetzungen für den Vertrieb von industriellem Saatgut und Düngemitteln vorzufinden. Und AGRA sitzt mit am Tisch, wenn über die Gestaltung der internationalen Politik entschieden wird. So übernehmen mehrere führende Vertreter von AGRA beim „Food Systems Summit“, dem Welternährungsgipfel der Vereinten Nationen voraussichtlich im September 2021, einflussreiche Rollen. Hier sollen wichtige Weichen für die Ausrichtung von Welternährungspolitiken der kommenden Jahre gestellt werden.
Eine besorgniserregende Entscheidung und fragliche Kompetenzzuschreibung, hat doch AGRA in den 14 Jahren seit ihrer Gründung keinerlei öffentliche Rechenschaft darüber abgelegt, ob sie ihre Ziele erreicht haben und ob ihr Ansatz als Mittel zur Armutsbekämpfung wirkt. Dieses Schweigen hat INKOTA zum Anlass genommen in einem Bündnis mit zehn afrikanischen und deutschen Organisationen das Wirken von AGRA genauer zu untersuchen. Sie beauftragten Timothy Wise von der US-amerikanischen Tufts University, der eine umfassende Analyse der öffentlich verfügbaren FAO-Daten in den AGRA-Ländern durchführte. Die Ergebnisse sind verheerend.1
Statt die Erträge in den 13 AGRA-Ländern wie angekündigt zu verdoppeln stiegen diese in 14 Jahren um lediglich 18 Prozent – ein jährlicher Anstieg von durchschnittlich 1,5 Prozent, der noch unter dem der Zeit vor AGRA liegt, als die Steigerung in den zwölf Jahren davor im Schnitt der 13 Länder 17 Prozent betrug. Statt das Einkommen für 30 Millionen kleinbäuerliche Haushalte zu verdoppeln ist die Zahl der Hungernden in den AGRA-Ländern um 30 Millionen Menschen gestiegen – ein Anstieg von 30 Prozent gegenüber der Zeit vor AGRA.
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Zudem erweist sich AGRAs eindimensionaler Fokus auf Ertragssteigerungen als großer Nachteil für kleinbäuerliche Erzeuger*innen. Für sie steigt zum Beispiel das Verschuldungsrisiko. So konnten in Tansania und Sambia viele an AGRA-Projekten teilnehmende Bauern schon nach der ersten Ernte die Kredite für Saatgut und Dünger nicht zurückzahlen. Außerdem wird ihre Wahlfreiheit eingeschränkt. Bei AGRA-Projekten in Kenia dürfen die kleinbäuerlichen Erzeuger*innen nicht selbst entscheiden, welches Maissaatgut sie verwenden und welche Düngemittel und Pestizide sie nutzen wollen. Eine Entmündigung der Bauern und Bäuerinnen zugunsten der beteiligten Agrarkonzerne.
AGRA reagierte zunächst gar nicht auf die Vorwürfe der Studie – und veröffentlichte erst nach verschiedenen Medienanfragen ein verschnupftes Statement. Die Untersuchung sei nicht wissenschaftlich, AGRA sei sehr erfolgreich, man habe viel gelernt über die Jahre. Gleichzeitig hat sich AGRA mit einer Beschwerde an den Universitätsbeirat der TUFTS University gewandt. Doch eigene Ergebnisse bleibt AGRA bis heute schuldig, es fehlen auch weiterhin Zahlen über die Wirkung der Allianz. Mehrere afrikanische Organisationen haben sich in Folge der Studie mit einem offenen Brief an Andrew Cox, den strategischen Leiter der Agrarallianz, gewandt und mit konkreten Fragen zu Ertragssteigerungen und Erfolgen in der Hungerbekämpfung gefragt. Auch seine Antwort enttäuscht: keine Zahlen, keine Evaluierung.
Offener auf die Kritik reagierte das deutsche Entwicklungsministerium. Es möchte nun die Projekte prüfen und die Hinweise aus der Studie aufnehmen. Bislang, so die Reaktion, waren die Probleme nicht bekannt. Wir sind gespannt auf die Prüfung. Das Fazit der Studie jedenfalls ist eindeutig: Die politische und finanzielle Zusammenarbeit mit AGRA sollte beendet werden.
1 INKOTA u.a. (Hg.): Falsche Versprechen. Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika. Download unter webshop.inkota.de/node/1612.
Lena Bassermann ist Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei INKOTA.
Lena Bassermann ist Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei INKOTA.
Gefördert durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes, die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Landes Berlin sowie durch Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für den Inhalt dieser Publikation ist allein das INKOTA-netzwerk e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Zuwendungsgeber wieder.