Ein Land in der Dauerkrise
Misswirtschaft, Korruption und versteckte Kredite: Für die Schuldenkrise Mosambiks tragen sowohl die Regierung als auch internationale Gläubiger die Verantwortung.
Die Schuldenkrise Mosambiks galt nach einem Schuldenerlass ab 2006 als überwunden. Doch seit einem Skandal um “versteckte Schulden” gilt das Land seit 2014 wieder als Problemfall. Die Coronakrise verschlimmert die Situation weiter, die Bedienung der Schulden schränkt den finanziellen Spielraum der mosambikanischen Regierung ein. Die internationalen Gläubiger sind sich ihrer Verantwortung noch nicht vollends bewusst.
Nachdem die Staatsverschuldung Mosambiks zwischen 2000 und 2005 nicht tragfähig war, verzeichnete das südostafrikanische Land zwischen 2006 und 2014 eine positive Entwicklung. Lag die Verschuldung im Jahr 2000 noch bei etwa 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), sank sie bis 2011 auf 37,5 Prozent ab. Das Wirtschaftswachstum lag in dieser Zeit bei rund sieben Prozent jährlich und nährte die Hoffnung auf einen mittel- bis langfristig nachhaltigen Wachstumskurs. Ab 2014 jedoch änderte sich das Bild. 2015 stieg die Verschuldung sprunghaft von 55,4 Prozent auf 88,1 Prozent des BIP an, bis 2020 waren es bereits 113,7 Prozent. Die Auslandsschuld belief sich 2018 auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar.
Entschuldung durch die HIPC-Initiative
Die positive Entwicklung bis 2014 geht auf eine Haushalts- und Schuldenpolitik zurück, die die Regierung insbesondere gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank beschlossen hatte. Infolge der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Überschwemmungen, die Mosambik im Jahr 2000 heimsuchten, erließen die Gläubiger dem Land im Rahmen der HIPC-Initiative für hochverschuldete arme Länder in jenem Jahr die Schuldendienstzahlungen.
Die HIPC-Initiative unterschied sich in zwei grundlegenden Aspekten von einem traditionellen Schuldenerlass und wirkte sich positiv auf die Situation aus: Erstens beinhaltete der Schuldenerlass zum ersten Mal einen umfassenderen Ansatz für die Staatsverschuldung, bei dem alle kooperierenden Gläubiger einer ausgehandelten Vereinbarung zustimmten. Zweitens musste Mosambik ein Programm zur Armutsbekämpfung vorlegen und im Rahmen eines breit angelegten Konsultationsprozesses die Beteiligung von Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und der Gebergemeinschaft sicherstellen. Ein Monitoring überprüfte, dass die erzielten Einsparungen in angemessener Weise verwendet wurden. Dadurch sollten die Rechenschaftspflicht, gute Regierungsführung, Demokratie und Korruptionsbekämpfung gestärkt werden. Die lokalen Gemeinschaften sollten empowert werden und die Perspektive der ärmeren Bevölkerungsteile sollte insbesondere bei öffentlichen Dienstleistungen in den Fokus rücken.
Zu Beginn der 2010er Jahre gab die Regierung unter Armando Guebuza von der Mosambikanischen Befreiungsfront (Frelimo) jedoch den transparenten Ansatz im Hinblick auf die Staatsfinanzen auf und nahm in Absprache mit internationalen Banken und Unternehmen verfassungswidrige, versteckte Kredite auf. Konkret erhielten die halbstaatlichen maritimen Sicherheitsunternehmen ProIndicus und MAM sowie das Fischereiunternehmen EMATUM illegal Kredite in Höhe von über zwei Milliarden US-Dollar von europäischen Banken und institutionellen Investor*innen.
Angeblich sollten die Darlehen der Finanzierung des Seeverkehrs sowie von Sicherheitsmaßnahmen und Schiffswartungseinrichtungen entlang der mosambikanischen Küste dienen. EMATUM investierte jedoch nur einen kleinen Teil der Mittel in 24 Fischfangboote, deren Kosten im Verhältnis zum Darlehenswert verschwindend gering waren. Bereits 2014 war klar, dass die angegebene Fischereikomponente des Projekts unbedeutend war und der Großteil der Mittel den politischen Eliten zugutekam. Die mosambikanische Regierung bürgte für diese Kredite, verschwieg sie aber gegenüber dem IWF und den übrigen Geberinstitutionen.
Als die Schulden 2015 auf 88,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen waren und somit weit über der empfohlenen Quote von 60 Prozent lagen, führte dies zu Schockwellen und Reaktionen, die die Wirtschaft des Landes lähmten. 2016 konnte die Regierung die versteckten Schulden nicht mehr bedienen. Der Internationale Währungsfonds und die Gruppen der 14 wichtigsten Geberländer Mosambiks (G14) setzten daraufhin ihre Unterstützung für den Staatshaushalt Mosambiks aus.
Die Regierung gab bekannt, aufgrund der hohen Verschuldung eine Phase der Haushaltskonsolidierung einzuleiten, und verpflichtete sich, die Wirtschaft verstärkt durch Zuschüsse und stark vergünstigte Kredite (mit hohen Zahlungserleichterungen und niedrigen Zinssätzen) zu finanzieren. Dies reichte jedoch nicht aus, um die Tragfähigkeit der Schulden wiederherzustellen.
Die 850 Millionen US-Dollar von EMATUM, die Teil der versteckten Schulden waren, wurden zwischen dem Unternehmen und dem Staat aufgeteilt, wobei letzterer 500 Millionen übernahm. Im Juni 2015 kündigte der Wirtschafts- und Finanzminister Adriano Maleiane an, dass Verhandlungen über eine Umstrukturierung der Unternehmensanleihen von EMATUM geführt würden, da die Frist für die Rückzahlung der 500 Millionen sehr kurz und die Zinssätze hoch seien.
Es dauerte nicht lange, bis die internationalen Rating-Agenturen, darunter Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch, Mosambik aufgrund der Schuldenkrise herabstuften. Im April 2016 strukturierte die Regierung mit Ausgabe der Staatsanleihe „MOZAM2023“ EMATUM-Schulden in Höhe von 726,5 Millionen US-Dollar um. Im Januar 2017 musste die Regierung jedoch verkünden, die Anleihe aufgrund der ungünstigen Haushaltslage nicht bedienen zu können und forderte die Gläubiger dazu auf, einen neuen Umstrukturierungsprozess einzuleiten, der an die wirtschaftliche Situation angepasst werden solle. Nach langen Verhandlungen schloss die Regierung im Oktober 2019 die Umstrukturierung der MOZAM2023-Anleihen mit der Ausgabe neuer Schuldverschreibungen ab. Dadurch stiegen die EMATUM-Schulden von 726,5 auf 900 Millionen US-Dollar.
Mosambik braucht finanziellen Spielraum
Laut der britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA hatte es die Investmentbank Credit Suisse als Hauptgläubiger der versteckten Schulden versäumt, das Risiko illegaler Geschäfte zu beachten, und somit zu dem Skandal beigetragen, der die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der mosambikanischen Gesellschaft bis heute verschärft. Credit Suisse gestand ihre Schuld ein und musste in den USA und Großbritannien eine Geldstrafe von insgesamt 475 Millionen US-Dollar an das US-Justizministerium, die US-Börsenaufsicht und die britische FCA zahlen. Als Teil des Vergleichs erlässt Credit Suisse Mosambik 200 Millionen US-Dollar an Schulden, die aus diesen illegalen Krediten resultieren. Dieser Teilerlass reicht jedoch nicht aus.
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Die nicht tragfähige Verschuldung Mosambiks und das schlechte Abschneiden des Landes bei internationalen Ratings schränken die Möglichkeiten zur Aufnahme von Krediten ein, mit denen die Krise bewältigt werden könnte. Unter den Folgen leidet in erster Linie die Bevölkerung. Die Regierung hat wenig finanziellen Spielraum für kurzfristige Unterstützungszahlungen oder den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Die Zyklone Idai und Kenneth 2019 sowie die aktuelle Covid-19-Pandemie zeigen jedoch, wie enorm wichtig solch ein finanzieller Spielraum ist.
Der Ausbruch der Pandemie brachte auf internationaler Ebene beispiellose Herausforderungen mit sich. Mosambik befindet sich in einer sehr ungünstigen Lage, da es sich von der Schuldenkrise noch lange nicht erholt hatte, als die durch die Pandemie verursachte Rezession begann. Die Regierung hat bei den internationalen Kooperationspartnern 700 Millionen US-Dollar beantragt, um auf die Pandemie reagieren zu können. Zusätzlich kam Mosambik für die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI) in Frage, die die Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften der Welt (G20) im Jahr 2020 aufgelegt hat. Mit der Teilnahme an der DSSI verpflichteten sich die Begünstigten unter anderem dazu, den geschaffenen steuerlichen Spielraum zu nutzen, um die Ausgaben in den von Covid-19 betroffenen sozialen, wirtschaftlichen und medizinischen Bereichen zu erhöhen.
In der ersten Umsetzungsphase des DSSI konnte die Regierung bilaterale Moratorien mit den drei Gläubigerstaaten China, Südkorea und Japan abschließen, was Finanzmittel in Höhe von 22,3 Millionen US-Dollar freisetzte. Entgegen den Erwartungen hat sich die Regierung noch nicht dazu geäußert, wie sie diese zusätzlichen Mittel verwenden will. Die Transparenz über die freigesetzten Mittel muss ohne Zweifel erhöht werden.
Zusätzlich tragen die G20, der Bankenzusammenschluss Institute of International Finance (IFI), die privaten Gläubiger und die Rating-Agenturen eine große Verantwortung dafür, Mosambik in die Lage zu versetzen, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zu bewältigen. Sonst wird es zwangsläufig zu Zahlungsausfällen kommen.
Aus dem Portugiesischen von Tobias Lambert.
Adriano Nuvunga ist Direktor des Centro Para Democracia e Desenvolvimento (CDD) in Mosambik.
Adriano Nuvunga ist Direktor des Centro Para Democracia e Desenvolvimento (CDD) in Mosambik.